unser Aufruf
Sicherheit anders denken
Bereits im Jahr 1845 entstand die Idee eines „Internationalen Antikriegstages“; überall auf der Welt setzen sich seitdem Menschen dafür ein, dass Konflikte anders als mit militärischen Mitteln ausgetragen werden.
Dagegen versuchen immer mehr Staaten, ökonomische und politische Machtinteressen mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Der Angriff der russischen Truppen auf das Nachbarland Ukraine führen uns das kriegerische Morden und sinnlose Zerstören täglich vor Augen. Gefühlsmäßig ist uns der Krieg näher gerückt – auch wenn die Auswirkung von Kriegen an anderen Orten nicht weniger schlimm geworden sind. Der Wunsch nach einem Ende dieses kriegerischen Treibens und einem sicheren guten Leben für alle nimmt zu. Aber wie geht das?
Die Bundesregierung, die EU und die Regierungen der Nato-Staaten haben mit einer „Zeitenwende“ reagiert; mit Sanktionen soll ein Feind in die Knie gezwungen werden, und eine „neue nationale Sicherheitsstrategie“ soll sich auf massive – auch nukleare - Aufrüstung stützen. Das bis dahin geltende Verbot von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete wurde einfach über Bord geworfen. Die massive militärische Aufrüstung und (in)direkte Kriegsbeteiligung wird suggeriert als einzig mögliche und notwendige Handlung, um den Krieg zu beenden und „Sicherheit“ zu schaffen. Jegliche Vorstellung von einer ganz anderen Welt, in der alle gut leben können, fällt hinten runter.
Wir stellen heute die Frage:
- Was ist das für eine Sicherheit?
- Gibt es andere Vorstellungen von einem „sicheren“ und guten Leben für alle?
- Was bedeutet „Sicherheit“ für Dich?
Darüber wollen wir mit Dir, mit Euch, mit Ihnen ins Gespräch kommen.
Es ist nicht nur der immense Schaden, der durch die Fokussierung auf militärische Logik entsteht. (Statt sich der realen Probleme anzunehmen, also statt etwas zu unternehmen gegen Hunger, Armut, die rasante Veränderung des Klimas, den Verlust der Biodiversität, unternimmt die Politik größte Anstrengungen, um die Rüstungsspirale zu drehen.)
Es ist auch nicht nur die Gefahr einer nicht aufzuhaltenden Eskalation, die durch die (nur mehr oder weniger gut) verdeckte Beteiligung am Kriegsgeschehen droht. Wir stellen darüber hinaus die Frage: ist das die „Sicherheit“, auf die wir vertrauen – eine am Ende selbstmörderische Konstellation, die in der internationalen Politik jahrelang den Titel „Gleichgewicht des Schreckens“ getragen hat? Welch höchst fragile Angelegenheit das ist, machen die in der Vergangenheit und bis heute überall auf der Welt stattfindenden Kriege deutlich. Dagegen stehen ganz andere Vorstellungen; eine davon ist das Verständnis von „Menschlicher Sicherheit“, das schon vor Jahren bei den Vereinten Nationen als Richtschnur für eine anstrebenswerte Entwicklung hin zu einem guten Leben für alle formuliert wurde.Was gibt „Sicherheit“ ?Ausgangspunkt für ein traditionelles Verständnis von „Sicherheit“ ist die Sicherheit des Staates. Dessen Ziel ist es, das eigene Territorium und die Bevölkerung vor Bedrohungen durch andere Staaten und Individuen zu schützen. Das zu lösende Problem und seine Ursachen werden auf der Gegenseite verortet Die Theorie: Je größer der Verteidigungsapparat, desto größer die »Sicherheit«.
Als Gegenentwurf wurde in den 1990er Jahren von den Vereinten Nationen das Konzept der „Menschlichen Sicherheit“ entwickelt. Das Modell zieht sieben Dimensionen menschlicher Grundbedürfnisse heran, die sich auf das direkte Erleben im Alltag beziehen. Darunter sind Aspekte wie Zugang zu Nahrungsmitteln, ein garantiertes Mindesteinkommen, Menschenrechte sowie der Schutz vor Infektionen und Krankheiten. Im Bericht der Vereinten Nationen über die menschliche Entwicklung heißt es:
»Letztlich ist Menschliche Sicherheit ein Kind, das nicht stirbt, eine Krankheit, die sich nicht ausbreitet, ein Arbeitsplatz, der nicht gestrichen wird, eine ethnische Spannung, die sich nicht in Gewalttätigkeiten entlädt, ein Dissident, der nicht zum Schweigen gebracht wird. Wer von Menschlicher Sicherheit spricht, kümmert sich nicht um Waffen, sondern um das Leben und die Würde des Menschen.«
Ein neues, ganzheitliches Sicherheitsverständnis könnte diesen Grundprinzipien folgen
1. Wir sollten Sicherheit als die Freiheit von Furcht und Not verstehen,
die ein gutes Leben für alle beinhaltet.
2. Alle Menschen haben ein Recht auf Sicherheit. Gelebte Solidarität zwischen den Menschen schafft Sicherheit, nicht Herrschaft über sie.
3. Sicherheit kann nicht erzwungen werden. Sie braucht Zeit, Geduld und Kooperation.
4. Sicherheit ist unsere gemeinsame Verantwortung. Sie ist demokratisch
und kann nicht wenigen mächtigen Staaten überlassen werden.
Warum zeigen solche Überlegungen in diesen Zeiten so wenig Wirkung? Warum betreibt die Politik das pure Gegenteil? Unsere Erklärung dafür wäre: Das weltweit herrschende Gesellschaftssystem, unser „Wohlstand“, basiert auf schier unbegrenztem Wachstum und Profitstreben, auf Konkurrenz um wirtschaftliche und politische Macht, auf Ausbeutung von Natur und Menschen. Rüstung und Militär sind notwendiger Teil davon, um Interessen, wenn nicht anders möglich auch durchsetzen zu können. Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Diese Art der Vernunft diese Logik unseres Wirtschaftssystems wird als festgeschrieben und unveränderlich angesehen.
Die Dichterin Ingeborg Bachmann hat dazu geschrieben: „Über den Krieg jammern, das kann jeder. Was man jedoch nicht kann, ist einzusehen, dass der existierende Friede eine Art Krieg ist, ein eingefrorener Krieg – der im „heißen“ Krieg explodiert. Auch deshalb war der Krieg bisher unabwendbar.“
Eine andere Welt ist nötig und möglich.